Pressemitteilung vom 25. Juni 2007

Verwaltungswissenschaftler: Verwaltungsreform im Umweltbereich volkswirtschaftlich kontraproduktiv

Grüne: Naturschutz ist positiver Standortsfaktor


Massive Kritik haben bundesweit führende Verwaltungswissenschaftler an der Verwaltungsreform des Landes im Bereich Naturschutz geübt. Der Generalsekretär des Sachverständigenrates für Umweltfragen der Bundesregierung, Dr. Christian Hey, bei einer Anhörung der Grünen im Landtag: "Kompetenz-Netzwerke werden zerrissen". Immer höhere Anforderungen an Quantität und Qualität der Naturschutzverwaltungen stünden einem überproportionalen Personalabbau im Naturschutz gegenüber. Naturschutz sei aber eine außerordentlich wissensintensive Tätigkeit, verbunden mit höchsten Anforderungen an Kommunikationsfähigkeiten.

"Entscheidungen über die baden-württembergische Verwaltungsreform fielen in kleinen Zirkeln, außerhalb der Fachkreise. Ziel ist es, Macht zu verschieben und Kosten des Landes zu sparen, nicht aber die Effektivität zu erhöhen. Das war keine funktionale Reform, die Defizite aufgreift", so der Verwaltungswissenschaftler Falk Ebinger von der Ruhr-Universität Bochum. "Spielräume für Effizienzsteigerungen gibt der Naturschutz de facto nicht her, die Personaldecke ist traditionell dünn, sachgerechte Kürzungen sind eigentlich nicht möglich. Öko-Konto und Vertragsnaturschutz bedeuten erheblich mehr Personalbedarf. Die Naturschutzverwaltung steht in der Tat unter einem enormen Druck steigender Aufgabenbelastungen", so ein weiteres Fazit, das Prof. Dr. Arthur Benz von der Fernuniversität Hagen bei der Grünen-Anhörung zog.

Vertreter aus Landratsämtern bemängelten, dass ihnen teilweise der Sachverstand für die hochkomplexen Aufgaben zwischen Artenschutz, Baugesetzbuch, EU-Recht, Vertragsnaturschutz und Bürgeranfragen fehle. Selbst Pflichtaufgaben wie Stellungnahmen zu Bebauungs- und Flächennutzungspläne könnten teilweise - befördert durch Beschleunigungsvorschriften - nur mit mangelnder Qualität abgegeben werden.

Auch unter ökonomischen und sozialen Aspekten fiel die Beurteilung der baden-württembergischen Verwaltungsreform negativ aus: Die Unabhängigkeit der Fachbehörden sei gesunken und volkswirtschaftlich sei die Reform kontraproduktiv, monierte Ebinger. Die Tatsache, dass die Naturschutz- und Umweltverwaltungen immer schwächer ausgestattet wären, führt für Antragsteller zu einem höheren Gutachtenaufwand und schlechterer Beratung durch die Behörden. Bundesweit sei die baden-württembergische Reform im Umweltbereich als Negativbeispiel im Gespräch. Laut Wirtschaftsorganisationen wie BDI und VCI solle man eine Reform keinesfalls so angehen wie im Umweltbereich in Baden-Württemberg.

Reiner Ehret, Vorsitzender des Landesnaturschutzverbandes, wies auf ein ganz grundlegendes demokratisches Defizit hin: "Die wenigen, die offen Kritik geübt haben oder es noch tun, riskieren ihre Karriere oder sie gehen frühzeitig in Ruhestand. Ich rufe Ministerpräsident Oettinger zu, nicht nur schöne Sonntagsreden zu halten, sondern diese Angelegenheit zur Chefsache zu machen."

Einen sozialen Aspekt griff Harald Ebner, Regionalgruppenvorsitzender des Bundesverbandes Beruflicher Naturschutz, auf: "Effizienzrendite ist ein zynischer Begriff, wenn es um Menschen geht." Darüber hinaus wies er darauf hin, dass 300 MitarbeiterInnen in den Naturschutzbehörden im Land rund 1000 Mitarbeitern in der Landwirtschaftsverwaltung und 1300 Bediensteten in der Flurneuordnung gegenüber stünden.

Die umweltpolitische Sprecherin der grünen Landtagsfraktion, Dr. Gisela Splett, wies darauf hin, dass "Naturschutz Standortqualität sichert - ohne 30 Jahre gute Arbeit der Natur- und Umweltschutzverwaltungen und - verbände und nicht zuletzt der Grünen wäre unsere Lebensqualität miserabel." Ihr Fazit: "Die Aufgaben haben zugenommen, das Personal hat abgenommen, Naturschutz ist der große Verlierer der politischen Trends, und Baden-Württemberg setzt den gesetzlichen Anspruch auf flächendeckenden Naturschutz nicht um."